LVC-actiondays
Der neue Reiter „LVC-actiondays“ enthält ab Nov. 2021 alle unsere gelegentlichen La Via Campesina-Übersetzungen aus dem Englischen, soweit sie Erklärungen zu internationalen Aktionstagen zum Inhalt haben. Die anderen LVC-Texte finden sich wie gewohnt auf der Hauptseite. Zum Auftakt gegen Ende eines Jahres mit abermaligem CO2-Rekordausstoß, abermals unnützem Klimagipfel und der BRD weiterhin als historisch viertgrößter Weltdreckschleuder mobilisierte La Via Campesina für den „Global Day of Action for the Elimination of Violence against Women“. 80% der infolge extremer Wetterereignisse Vertriebenen sind weiblich. Der neuste LVC-Aufruf steht im Folgenden dann immer obenan. So ruft La Via Campesina, die wohl erste wirklich weltweite Kleinbauernbewegung, aktuell zur internationalen Solidarität für die französische Sozialbewegung gegen Polizeigewalt und das autoritäre Abdriften der französischen Regierung auf.
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>> Aufruf 30.März 2023: Internationale Solidarität für Frankreichs Sozialbewegung!
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Bagnolet, 30. März 2023 | Mit Bestürzung beobachten wir die Entwicklung der Ereignisse in Frankreich. Seit einigen Monaten demonstrieren Millionen Menschen friedlich gegen eine Rentenreform, die die Working Poor, also auch die Kleinbauern, noch mehr zahlen lässt, während die Reichsten davon profitieren. Die französische Regierung hat diese Reform vergangene Woche ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchgedrückt. An diesem Abend und seitdem jeden Tag haben sich die Demonstrationen und Aktionen vervielfacht, um dieses autoritäre Abdriften anzuprangern und die sofortige Rücknahme der Rentenreform zu fordern. Im Angesicht dieser massiven, von der öffentlichen Meinung weithin unterstützten Mobilisierung (75 % der französischen Bevölkerung sind gegen diese Reform, insbesondere 93 % der Menschen im erwerbsfähigen Alter), reagiert der französische Staat ablehnend und mit einer Eskalation Polizei und Gewalt.
Am vergangenen Wochenende kam es zu einem weiteren Schritt in diesem autoritären Abdriften. Unsere Mitgliedsorganisation in Frankreich, die ‚Confédération Paysanne‘, hat zusammen mit zwei anderen Organisationen, ‚Soulèvements de la Terre‘ und ‚Bassines Non Merci‘, zu einer Demonstration gegen Mega-Becken aufgerufen, die Instrumente für den Wasserraub durch die Agrarindustrie darstellen. 30000 Menschen versammelten sich, um das Wasser, ein gemeinsames und für das Leben aller Menschen und Ökosysteme unerlässliches Gut, zu verteidigen. Der französische Staat hat eine kriegswürdige Polizei eingesetzt, um ein 18 Hektar großes Gebiet zu schützen. Stundenlang regneten Granaten auf die Demonstrierenden, mehr als 200 Menschen wurden verletzt. Der Staat hinderte die Rettungskräfte bewusst daran, das Gebiet zu erreichen, in dem sich die Verletzten aufhielten, und verweigerte die Durchfahrt von Krankenwagen. Heute schwebt eine Person zwischen Leben und Tod, Dutzende andere haben ein Auge oder eine Hand verloren oder sind von lebenslanger Lähmung bedroht.
Viele Stimmen, darunter die UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und der Menschenrechtskommissar des Europarates, forderten die Regierung auf, diese repressive Eskalation zu stoppen. Aber der Präsident der Französischen Republik beschloss, nicht nachzugeben, und der Innenminister, ‚Soulèvements de la Terre‘ zu verbieten.
Was wird der nächste Schritt in diesem autoritären Abdriften sein? Die ‚Confédération Paysanne‘ verbieten? Alle Demonstrationen für Klima- und Soziale Gerechtigkeit verbieten?
Fällt Frankreich, das sich überall als große Demokratie und ein Land der Menschenrechte präsentiert, endgültig in ein autoritäres Regime außerhalb des Rahmens Internationalen Rechts zurück?
La Via Campesina ruft zur internationalen Vermittlung auf, um den sozialen Dialog wiederherzustellen.
In dieser kritischen Situation ist internationale Solidarität unerlässlich. Wir rufen daher jede Mitgliedsorganisation und verbündete Sozialbewegung auf der ganzen Welt auf, die sozialen Bewegungen in Frankreich zu unterstützen.
Hier einige mögliche Aktionen:
Schreiben von Solidaritätsbriefen an die Confédération Paysanne, Soulèvements de la Terre und Bassine Non Merci und ganz allgemein an die französische Sozialbewegung (contact@confederationpaysanne.fr, contact@lessoulevementsdelaterre.org);
Schreiben an die französischen Botschaften und die französische Regierung, um die Unterdrückung sozialer Bewegungen anzuprangern;
Organisieren von Demonstrationen vor französischen Botschaften und Konsulaten;
Wenden Sie sich an die gewählten Vertreter und Regierungen Ihrer Länder, um die Haltung der französischen Regierung anzuprangern, die Achtung der Menschenrechte (insbesondere des Demonstrationsrechts) zu fordern und sich als internationale Vermittler anzubieten, um diese Krise zu beenden.
GLOBALISIERT DEN KAMPF! GLOBALISIERT DIE HOFFNUNG! <<
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>> Der 25.November 2021 ist der globale Aktionstag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen.
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La Via Campesina fordert Mitglieder und Verbündete auf, bewusstseinsschärfende Aktivitäten zu organisieren, Sichtbarkeit zu verleihen, solidarisch zu sein und das alarmierende Ausmaß an Gewalt anzuprangern, das Frauen, Kindern und LGBTQIA*-Personen weltweit erfahren; eine Gewalt, die sich mit der COVID-19-Pandemie nur noch verschlimmert hat. Die Gesellschaft kann diese vielfältigen Formen von Gewalt nicht ignorieren, mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ist betroffen! Wir brauchen eine öffentliche Politik, die ihre Rechte garantiert und ein menschenwürdiges Leben für Frauen und Gemeinschaften sichert.
Die Welt ist mit zahlreichen strukturellen Krisen an sozialer, wirtschaftlicher und politischer Front konfrontiert. Seit 2015 nimmt der Hunger zu, von dem Frauen und Kinder überproportional betroffen sind. Neoliberale Finanzpakete des IWF und anderer Institutionen ebnen mit hohen Armuts-, Arbeitslosigkeits-, Zwangsmigrations-, Ausgrenzungs- und beschämend hohen Femizidraten den Weg für weitere Rechteverluste.
Aus diesen Gründen fordern wir die Gewährleistung der Menschenrechte für alle. Die Gewährleistung des Rechts auf Nahrung muss das Ziel sein, das dringende Aktionen und Entscheidungsprozesse sowie öffentliche Maßnahmen zum Erreichen der Ernährungssouveränität einleitet. Agrarreform und bäuerliche Agrarökologie sind notwendige Voraussetzungen, um Ernährungssouveränität zu erlangen. Unser kollektiver Kampf besteht darin, den Zugang zu Gesundheitsdiensten und Bildung in ländlichen Gebieten, faire Preise und solidarische Märkte, gesunde Ernährung für ländliche und städtische Gebiete, Vorsorge um Wasser und Wälder zu gewährleisten. Unsere Hauptaufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass niemand verhungert!
Hunger und Armut, die Folge einer globalen Krise
Oxfam hatte geschätzt, dass jede Minute 11 Menschen an Hunger sterben, was sogar höher ist als die Sterblichkeitsrate für COVID-19!
Hunger und Ungleichheit erwachsen aus einem gescheiterten, aber dominierenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen System. Die Hunger- und Unterernährungskrise ist ein Zeichen für dieses Versagen. Lassen Sie uns daran erinnern, dass Hunger nicht durch unzureichende Produktion verursacht wird, sondern durch eine marktwirtschaftliche Logik, die Lebensmittel als Ware behandelt, die nur von denen gekauft werden kann, die es sich leisten können. Wir erleben eine reale Version der „Hungerspiele“, die das Grundrecht auf ein würdiges Leben missachtet.
Wie die ECLAC (UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik) im Jahr 2020 angekündigt hat, könnte die extreme Armut in ländlichen Gebieten 42 % erreichen, eine völlig beispiellose Zahl. Diesen Schätzungen zufolge könnten 10 Millionen Landbewohner –fast 6 Millionen davon Frauen– mit einem Einkommen konfrontiert werden, das nicht einmal die grundlegendsten Ernährungsbedürfnisse deckt.
Trotz dieser Trübsal haben Bauernfamilien, Fischer, Indigene, Land-, Saison- und Wanderarbeiter auf den beackerten Feldern während der Pandemie ihre historische Aufgabe der Ernährung der Menschen weitergeführt. Sie verrichteten weiterhin ihre produktive Arbeit, förderten Agrarökologie und Solidarität und prangerten die systemischen Fehler an, die ihre Bemühungen behinderten. Sie stellten sich der Herausforderung, den Nahrungsmittelbedarf der Städte, ländlichen Gemeinden und der eigenen Familien zu decken.
Ein dringender Aufruf zur Achtung der Rechte von Frauen und Diversen
La Via Campesina fordert dringend, alle Rechte von Frauen und bäuerlichen Gemeinschaften zu gewährleisten. Es ist unmöglich, unter großen Ungleichheiten und schrecklichen Arbeitsbedingungen, informeller Arbeit, Instabilität, Migration, Belastung durch unbezahlte Hausarbeit und Pflegeaufgaben weiter zu produzieren – abgesehen von der Schwierigkeit des grundlegenden Zugangs zu Land, Wasser und der Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen, Finanzierung, Versicherung und Ausbildung. Bäuerinnen müssen ihre Grundrechte und Freiheiten genießen, wie sie in der UN-Erklärung über die Rechte von Bauern und anderen in ländlichen Gebieten arbeitenden Menschen festgelegt sind.
In diesem Sinne rufen wir alle auf, in höchster Alarmbereitschaft angesichts der schweren Rückschläge zu bleiben, die sowohl Frauen als auch geschlechtsneutrale Gemeinschaften in Brasilien, Kolumbien, Honduras, Palästina, den Philippinen, Guatemala, Costa Rica, Kurdistan und Mexiko erfahren haben. Wir begrüßen und feiern auch den Kampf und die Organisation von Frauen, die weltweit für ihre Rechte kämpfen. Es wird geschätzt, dass 87000 Frauen Opfer von Femiziden wurden, die von Partnern oder Familienmitgliedern begangen wurden – 137 Frauen jeden Tag. In Lateinamerika wird alle zwei Stunden eine Frau ermordet, nur weil sie eine Frau ist.
„Ernährungssouveränität mit bäuerlicher Agrarökologie ist heute mehr denn je unsere dringlichste Aufgabe. Frauen und Mitglieder der LGBTQIA*-Community sind an allen organisatorischen Fronten aktiv, aber wir brauchen unsere Rechte, um den Hunger zu bekämpfen. In Europa überholt der Strompreis den von Gold, während multinationale Konzerne, die „grüne Energie“ als Lösung verkaufen, umfangreiches Land Grabbing betreiben. Sie tun dies, um große Industrieparks mit Sonnenkollektoren und riesigen Windmühlen zu installieren, die Energie produzieren, die zu unerschwinglichen Preisen verkauft wird“, sagt Sonia Vidal vom galizischen Bauernverband ECVC und der ‚International Women Articulation‘ von La Via Campesina.
„Diese Unternehmen verwehren den Bauern den Zugang zu Land, das kleine Lebensmittelproduzenten für die Produktion gesunder Lebensmittel zur Bekämpfung des Hungers nutzen würden, was dringender denn je erforderlich ist. Diejenigen von uns, die Produzenten sind, sehen unsere Kosten in die Höhe schnellen. Und je gesünder die Lebensmittel (mit agrarökologischen Methoden hergestellt), desto teurer sind Herstellung und Verkauf. Ernährungssouveränität, basierend auf bäuerlicher Agrarökologie, ist von entscheidender Bedeutung, um den Hunger zu bekämpfen“, fügt Vidal hinzu.
La Via Campesina bekräftigt die Dringlichkeit, diejenigen zu schützen, die Lebensmittel produzieren, Frauen, Kinder und Mitglieder der LGBTQIA*-Gemeinschaft; unsere Lebensweise, Bräuche, Traditionen und das Wissen unserer Vorfahren zu bewahren sowie unsere Territorien, Nahrung und den Zugang zu gemeinsamen Gütern. Gesellschaften sollten von den Staaten verlangen, dass sie die Gefangennahme, Kriminalisierung, Plünderung und Gewalt durch Unternehmen stoppen; alle Prozesse zu stoppen, die es möglich machen, dass Unternehmen und mächtige Akteure die Entscheidungen über Lebensmittel treffen.
Um jegliche Gewalt und Ungleichheit zu stoppen, müssen wir das kapitalistische System ändern und auf vielfältige Ernährungssysteme mit Ernährungssouveränität, sozialer und ökologischer Gerechtigkeit hinarbeiten. Wir rufen jeden aus jedem Territorium dazu auf, den Kampf gegen jegliche Gewalt gegen Frauen, gegen geschlechtsunkonforme Menschen und die Arbeiterklasse standhaft fortzusetzen.
Schließt Euch den Hunderten von dezentralen Aktionen weltweit an, schaut Euch unser virtuelles Festival an: „Bäuerinnen kämpfen für Rechte, gegen Hunger und Gewalt!“ am 23.November in unseren sozialen Netzwerken.<< UND HIER EINE DEUTSCHE VERSION der neuen „Bäuerlicher Volksfeminismus“-Broschüre runterladen!