DIE NEUSTE ARME SAU, durch’s virtuelle Dorf gejagt: Akzelerationismus

27.5.2019 silliguri Newsletter & Technix

So hat der Hype ums Waldbaden -ausführlich thematisiert im 2019er Mai-Newsletter- auch gute Seiten, sofern er ganzheitliche Kenntnis und tätigen Respekt hinsichtlich eines unbedingt schützenswerten sozialrelevanten Ökosystems erzeugt. Auch nicht schlecht ist, dass er seine Kritiker/innen fast regelmäßig als ressentimentbasierte Kleingeister outet, die über das dumpfbackige „Atomkraftgegner überwintern bei Nacht mit kaltem Hintern“-Niveau eher selten hinauskommen. Das ist auch bei einem Wiener Schmäh namens Armen Avanessian nicht anders, der sich „Philosoph, Literaturwissenschaftler und politischer Theoretiker“ nennen lässt und als „Gastdozent an Kunstakademien und Publizist“[1] sein Geld verdient. Er „wendet sich gegen Entschleunigung“ und ist so zum „Mitbegründer des Akzelerationismus“ geworden. Nun also das noch: Akzelerationismus.
An anderer Stelle wurde kürzlich ein altweißer Biermann namens Jürgen Roth verrissen, weil er Sophie Passmann wegen ihres klugen Büchleins ‚Alte weiße Männer‘ als dumm und den Feminismus als Nichtdenken besabbert hat[2], so dass er für 2 qualitätshebende Monate keine Zeile mehr in seiner vermeintlich jungen Welt platzierte. Den Armen Avanessian und dessen armseliges Akzelerationismus-Getue hätte er sich da verdienter vornehmen können, theoretisch. Was der im Interview mit Christoph Koch dazu zum Besten gibt, ist nämlich von der ersten bis zur letzten Zeile nicht nur inhaltlich substanzlos und argumentativ vom Seichtesten, sondern v.a. der durchsichtige Versuch, das Bestehende auf die leichte Tour zu legitimieren, indem nachdenkenswerte Alternativen wie Entschleunigung zu einem falschen Popanz umgemodelt werden, auf die sich dann billig eindreschen und labernd sich profilieren lässt. Avanessians affirmativer Akzelerationismus verfälscht zu diesem Desinformationsbehufe Entschleunigung als „Fantasie der gehobenen Mittelklasse“ und erweist sich so als allen Fakten enthobener Blödsinn der Oberklasse: Trump für geistig noch Ärmere. Wo solche Säue, Fakes und Unfüge durch’s Dorf getrieben und nicht gleich als Kaiser ohne Kleider schallend ausgelacht werden, lassen sich die Leute auch alle 15 Tage 23000 Liter gefälschtes Olivenöl andrehen.
Ach was, soo blöd ist doch niemand!? Gerade wurde in Foggia gegen 24 Verdächtige Haftbefehl erlassen, die billig eingekauftem Soja- und Sonnenblumenöl mit Hilfe von Chlorophyll und Beta-Carotin den Look eines teuren nativen Olivenöls zum lukrativen Weiterverkauf verpassten – jährlich „mehr als eine Million Liter“ nach dpa-Meldungen[3] und das mindestens seit 2015. „Beliefert wurden vor allem Restaurants und Geschäfte in Stuttgart, Frankfurt und Berlin“, steht da. Und, oh: „Alle 15 Tage habe die kriminelle Organisation 23000 Liter des falschen Olivenöls nach Deutschland verschickt“. Auch das hat sein Gutes: Die Hochkonjunktur von Blendern und Fälschern, Guttenbergs und ‚Gütesiegeln‘, dem ganzen aufgeblasenen Marketingsprech, billig anverkäuflichem Politgeblubber, fadenscheinigem Zertifikate- und Qualitatsmanagementbuhei wirft den ferngesteuerten entmündigten Modernmenschen des „Informationszeitalters“ wieder darauf zurück, dass nur die direkte Bekanntschaft und ein daraus ggf. resultierendes Grundvertrauen den Anfang einer Gewähr dafür bietet, die gewünschte oder behauptete Qualität auch in echt zu erhalten. Der Kaiser ist nicht nur nackt, sondern auch verdorben und nichtmal mehr Kaiser, sondern ein blendender Verblödungszusammenhang. Bei uns dagegen ist drin, was draufsteht. Gelegentlich muss mensch auch mal faustdick auf so etwas hinweisen. Von selbst setzt sich nämlich gar nichts durch, jedenfalls nichts Wahres, Gutes oder Schönes.
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[1] Der Wiener Schmäh wurde absolut exemplarisch aus dem überbordenden Angebot apologetischer Nebelkerzen herausgegriffen, einfach dem Alphabet folgend und gleich fündig geworden. Die Fundstelle, aus der auch die zugehörigen Zitate stammen: Eine ausgerechnet ‚Zukunft Jetzt‘ heißende Zeitschrift (nämlich der Dt.Rentenversicherung), Seiten 12 u. 13, Ausgabe 1/19;
[2] Antifeminismus zum Frauentag – zu jW vom 11.3.19: „Sprachkritik: Eine Nummer!“
Da hatte ich dieses Jahr für die 1.Mai-Verteilaktion endlich mal 2-300 jW bestellen wollen. Und wie’s immer so ist: mal bin ich um diese Zeit gar nicht in D, mal anderweitig beschäftigt; und auch heuer passt’s nicht, weil ich nämlich keine Lust habe, Werbung und Fundraising für eine junge Welt zu betreiben, die alten weißen Säcken ohne jeglichen Klassenstandpunkt außer dem ihrer oberflächlichsten je eigenen Senatorklasse ‚eingebildetes Genie‘ sogar zum Frauentag noch das Forum spendiert, ihre abgestandenen antifeministischen und nebenher alltagsrassistischen Ressentiments wohlfeil als irgendwas mit Feuilleton bemäntelt zu platzieren.
Laura Meschedes „Die Mächtigen haben die Frauenbewegung gekapert“ findet seinen Niederschlag in der ‚linken Tageszeitung‘ eben darin, wie so Spezis wie Jürgen Roth sie zum 8.3. am Nasenring durch die Manege ziehen. Die solidarischen Griffelhelden der Emanzipation aber schweigen, allenfalls brummelnd, zum von den ersten Zeilen, die den Internationalen Frauentag als nazinahen „Frauenbundtag“ denunzieren, bis zum letzten Absatz, der Roths feuchtes Traumfrauenbild wiedergibt -die „rattenscharfe weiße Büchs“ nämlich (die sowas blonde lächelnd noch als Kompliment aufnimmt und der gleich noch ein rassistischer Billigwitz auf AFD-Niveau in den Mund gelegt wird)- in ältester Herrenmanier reaktionären Sermon. Darin dreht sich alles um Roths vertrocknetes Feindfrauenbild, das als Sophie Passmann Gestalt angenommen hat und mit 25 schon so dreist „nonkonformistisch wider den Zeitgeist röhrt“, was doch nur Hirsche und Männer zuständig beherrschen – aber so ist das mit den Feministinnen nach Roth: sie sind männlich, vorlaut, feministisch, denken nicht, quasseln schnell und plappern dumm. Seine kurzatmige Eingangsfrage, „wie dumm man sein muss, um in die Zeitung zu kommen, ist beantwortet. Man muss Sophie Passmann heißen.“ Dafür kann er 5 Absätze lang einen als „Sprachkritik“ maskierten Wortschwall auskübeln, der für jede/n mitdenkend Lesende/n nicht die unflätig Denunzierte, sondern durchgängig und dreifach den Dreckschmeißer selbst blamiert.
Sachlich betrachtet bleibt Roth erstens jede Begründung schuldig, warum Passmann dumm zu nennen und sein Intellekt überlegen wäre. Gegen den Zeitgeist zu argumentieren, was er ihr ja attestiert, ist z.B. gerade kein Nachweis von Meinungsführerschaft, wie er unterstellt, um ihr seinen Textbaustein „Sie wissen nichts, sie haben keine Ahnung von irgendwas, aber dafür haben sie Meinungen“ anheften zu können. Wozu braucht der alte weiße Mann auch Argumente, wo er doch Ahnung hat und auf gut deutsch die Leichen richtiger Literaten so passend zu fleddern versteht, dass die fremden Federn seine Dürftigkeit verhüllen. Sein affektierter Ausbruch an primitiv persönlicher Paukertirade lässt ihn zweitens bloß noch dümmer aussehen als die 2 alten weißen Sabbler in der Muppets-Loge zusammengenommen – hütet Euch vor Leuten, die sowas wie ‚mehr Hirnherrschaft!‘ einfordern, sie meinen immer nur ihre eigene Wenigkeit. Und Qualität hat Roths Rülpser auch als „Sprachkritik“ nicht, schon allein weil er sämtliche anderen angekreidete Missetaten in erster Linie selber elcht: „Bloß keine Dezenz, bloß keine Zurückhaltung, bloß keine Verweigerung, bloß kein Stil. Immer dolle druff und mitmischen im kulturindustriellen, sprachverkrüppelnden Krawall – und fortschrittsforsch“… ach, hör‘ doch uff! Und da fragt sich Roth noch, „ob Sophie Passmann nicht einfach vollkommen weggetreten ist“. Das ist ganz großes Kino wie es auch sonst nicht über aufgeschwollenen Boxgesang, hysterisches Gestammel und fade Wortwitzchen der Marke „Wichsbold“ hinauskommt.
Bleiben schon noch Fragen: Ist das Neid auf den Erfolg der Beschimpften, dass die mit 25 bereits „für Krawall, Metaebenen und Feminismus bekannt ist“, wo der alte weiße Mann es auch mit 50 erst zum Bierkrawall im Netz gebracht hat? Hass auf einen frechen Feminismus, der sich nicht so leicht und nachhaltig mit der Identitätspolitik-Keule mundtot schlagen lässt wie sonst diese Jungen von den Alten? Die Wut der ins Mark getroffenen Leberwurst, die sich als alter weißer Mann ertappt fühlt? Und was v.a. treibt eine Zeitung um, die soviel auf ihr qualitatives Niveau hält, dass sie die Konkurrenz regelmäßig als „Qualitätsmedien“ in Anführungszeichen disst, sich solchen narzisstisch aufgedunsenen Mainstream-Stammtischmief ohne jeden sachlichen, politischen oder auch nur sprachkritischen Wert zu leisten? Um es mal mit Roth selbst zu sagen, als der versuchte, die rassistische Stimmungsmache gegen den Fußballer Özil als überhaupt nichts Rassistisches weißzuwaschen und dazu seinen FCB-Spezi Uli Hoeneß aufrief: Der „hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen. Und jetzt versteckt er sich und seine Mistleistung“ mit großspurigem Bläh und Bla“ (Artikel in der jW vom 3.1.19) in einer jungen Welt, die so auch ein Wärmestübchen für alte weiße Männer mit elitär gelehrtem Dünkel bleibt. Noch mehr von der Konkret-, Taz-, Faz-Resterampe bitte! Damit auch morgen noch schön alles beim Alten bleibt. Jürgen Krämer, per eMail
[3] So eine dpa-Meldung „Massenweise falsches Olivenöl nach Deutschland verkauft“ vom 14.5.2019 (Zusammenfassung 1745);


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