Settimana Rusticale: Wandern gegen Premiumbuhei
SETTIMANA RUSTICALE heißt Öko-Exped auf ligurisch und ist nur was für wegepflegerische Ultras & AktivistInnen. Überflüssig wie Heesters‘ letzter Schrei | dagegen ist der ganze Premium-Buhei, | der da um einen hot-shit-heißen Einheitsbrei | gemacht wird, in welchem mittlerweile vom Premiumpils über Premiumessen und Premiumwohnen bis hin zum glutenfreien Premiumschraubenzieher alles nur Erdenkliche umanandschwimmt. Nicht zuletzt auch Premiumwanderwege für Premiumdösbaddel, von denen der erste in D-land 2001 zertifiziert wurde (der Rothaarsteig im Sauerland). Das Konzept „Deutsches Wandersiegel“ stammt vom sog. Deutschen Wanderinstitut, das Wandernde nach 34 Qualitätsmerkmalen in der Art öde Streckenabschnitte? breite Forststraßen? Bodenbeschaffenheit? Wegezustand? Aussicht? kurvig? markiert? abgefragt und anhand des so gewonnenen Materials einen Gesamtwert ermittelt hat, der über Premium oder nicht entscheidet. Für die Auszeichnung muss freilich bezahlt werden – und das alle 3 Jahre erneut. Die findigeren „Touristiker/innen“ der betreffenden Verbände und Kommunen tun das gerne. Das noch bis zur eigenen Geschichtslosigkeit junge Wanderinstitut gilt schließlich schon als wer – z.B. haben wir ihm die innovative Verkündigung von 2 Stunden „Durchschnittsdauer eines heute ‚Wandern‘ genannten Wandelns im Grünen“[1] zu verdanken. Leider ist dieser marktgerechte Dünnpfiff nicht in Ortsnähen, Flachländern und harmlosen Mittelgebirgen steckengeblieben[2], sondern strebt profitlogisch höher und weiter: dorthin, wo es schwerer wird. Geht ja schließlich ums wachsende Abkassieren. Allerdings entsteht durch solche niederschwellige Breitenvermarktung auch riskanterer Gegenden (Steillagen, Hochgebirge, Langetappen) ein Wanderbild des „anything goes for everyone“, das einen lockerleichten Event-Service im naturnahen Erlebnispark suggeriert, so easy zu kommunizieren wie eine Doku-Soap oder WII-Sport; und anschließend premium online bewerten, kommentieren, liken oder teilen, was ein Dösgebaddel!
__________In Leuten, die Wandern als extra für sie optimiertes Genussprodukt einkaufen und statt eigener Überlegungen, Planungen oder Vertiefungen sich lieber von kommerziellen Marken- oder Zertifikatssiegeln leiten lassen, findet so ein Angebot latürnich auch seine Abnehmer/innen. Die Pakete dann selbstverständlich in premium UND zum Billigstpreis (mit Individualrabatt) erwartend, was im Netz sowieso kinderleicht, sekundenschnell und in tabellarischer Übersichtlichkeit zu ermitteln ist. Nun ist es uns auf der persönlichen Ebene herzlich egal, wenn solche verwöhnten Konsumzombies sich auf einer subalpinen Kniebreche das Knie brechen, sich bis zur Helikopterrettung in dornig-felsigem Steilgelände verhaspeln oder auf einer unterschätzten Langstrecke bei Schlechtwetter in der kalten Juchhei im Tagesrucksack biwakieren müssen. Die servile Bittesehr-bittegleich-Mentalität des beflissen immer noch mehr für nix rackernden Servants, die diese Klientel erwartet und leider auch im Bergland schon befördert, ist allerdings etwas, dem wir uns dann doch entgegenstellen. Auch mit den Inhalten und Adressaten unseres Tourenprogramms. Und so tangieren uns auch alle virtuellen Werte dieser digitalen Hoch- und Runterdäumlinge nicht einmal am Rande. Marktkonforme Konsumwanderer mit Premiumanspruch in optimierter Inszenierung, invasiver Käuflichkeit, großtuerischen Zertifikats- und Markenscheuklappen mögen anderswo ihrer Premiumwege ziehen. Deren Wandern ist kein Gehen und kein Sehen, und ab dafür. Oder wie es der Axel Klemmer im DAV-Magazin mal so schön überschrieb: „Premiumwanderwege sind nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems“.[3] Damit ist erkennbar nichts gegen alterstaugliche, leistungsfähigkeitsangepasste oder schön bequeme Wanderrouten gesagt, wie sie z.B. das ehrenamtliche Hütten- und Wegenetz der Alpenvereine ebenfalls und öffentlich zugänglich hält; oder die zahllosen unprämierten Wanderwege, die in Addition schonmal rund um den Globus reichen, wie das alleine die fränkischen tun; oder die vielen wilden Wege im ligurischen Westen, die von einem Häuflein verschiedenster Akteure vor Ort (darunter Jäger und Wasserwerker, Bauern, Hirten, Wandervereine, Naturfreunde und auch Eigenbrötler/innen wie unsereins) unentwegt immer wieder freigehackt werden. Sowas ist Qualität und da gibt’s keine Kompromisse. Aufgeblasenen Premiumbuhei brauchen wir hingegen genausowenig wie fadenscheiniges Qualitätsmanagement. Dabei stehen wir mit beiden Beinen fester im 3.Jahrtausend als diese eingebildeten Modernen sich einbilden könnten. IT, Photovoltaik, sogar Motorkraft benutzen wir durchaus – professionell und auf vernünftiges Maß reduziert.
__________Ein anschauliches Beispiel trotzigen Anwanderns gegen diese Verschmockung des Naturgenusses gibt unsere alljährliche SETTIMANA RUSTICALE, die regelmäßig in der Woche vor dem letzten Maisamstag stattfindet und manchmal im Herbst noch einen Nachschlag kriegt. 2022 ist es wieder soweit: Anfang November sind wir zum Selbstkostenpreis von 27,50 € p.P. tgl. bei 5 Übern. im Matratzenlager und Frühstück, Lunchpaket, Abendessen in einer solchen zusätzlichen SETTIMANA RUSTICALE ganztags unterwegs in alle 4 Himmelsrichtungen und machen kaum mehr vorhandene Pfade wieder gangbar. Es handelt sich also nicht um ausgedehntere Pinselklecks-Spaziergänge auf kinderwagenbreiten Wegen, sondern um streckenweise abenteuerliches Hauen und Stechen durch üppig wucherndes Gelände mit oft stärker erschließendem als pflegerischem Charakter. Das kann auch mal etwas anstrengender oder spannender werden, aber zurück nach Hause kommen wir alle. Der expeditionelle Einsatz wird dabei kombiniert mit so Zwecken wie Brennholzgewinnung, Pilzesammeln oder sonst anliegenden Erledigungen auch an allgemein interessanten Zielorten, wo für die vorangegangenen Mühen mit Sehenswürdigem entschädigt wird. SETTIMANA RUSTICALE heißt Öko-Exped auf ligurisch und ist nur was für wegepflegerische Ultras & AktivistInnen.
Fußnoten: [1], [2], [3] – gibt’s für Besteller/innen unseres quartalsweisen Liguri-Newsletters (und wie das funktioniert, guxdu in der Kategorie „Newsletter“ nach…);
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