La Via Campesina zu Neujahr, Kuba und Pandemia

23.1.2021 admin La Via Campesina

Willkommen in der Grünen Matrix zum neuen Jahr 2021. Wir starten unseren radikal-rustikalen Agrarökologie-Blog wie immer – altermondial! Zum einen hat sich La Via Campesina mit einem klaren Statement gegen die Aufnahme Kubas in die US-Liste staatlicher Terrorismus-Sponsoren gewandt, das hier i.eig.Übers. aus dem Englischen vorliegt. Zum andern folgt im Anschluss noch ein längerer Text aus dem Herbst, in dem La Via Campesina gründlich, global und von unten Zwischenbilanz aus 8 Monaten CoVid19-Pandemie zieht, ebenso übersetzt.

ERKLÄRUNG: KUBA IST KEIN TERRORISTISCHER STAAT! (Harare, 15.Januar 2021)
Wir, La Via Campesina – eine internationale Bauernbewegung, die aus 182 Organisationen in 81 Ländern mit rund 200 Millionen Mitgliedern besteht – zeigen deutlich, dass wir die neuen Aggressionen der US-Regierung gegen die Souveränität des kubanischen Volkes ablehnen, und wir verurteilen ihre erneute Einbeziehung auf der einseitigen US-Liste von „Staaten, die den Terrorismus sponsern“.
Der scheidende US-Außenminister (Mike Pompeo) kündigte am 11.Januar 2021 an, Kuba wieder auf die Liste jener Länder zu setzen, die die USA Terroristen nennen, nachdem Kuba nun fast 6 Jahre davon gestrichen war. Dies ist eine einseitige Maßnahme zur Fortsetzung der historischen und kriminellen Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade, der das kubanische Volk seit sechs Jahrzehnten ausgesetzt ist.
Während die Welt durch die durch COVID-19 ausgelöste Krise erschüttert wurde, hält Kuba an Internationalismus, Solidarität und seiner Zusammenarbeit mit beispielsweise den über 1500 Angehörigen der Gesundheitsberufe, Ärzten, Spezialisten und Krankenschwestern der ‚Henry Reeve‘-Brigade fest, die derzeit den in Europa, Afrika, den Arabischen Emiraten, Lateinamerika und der Karibik am stärksten von der Pandemie betroffenen Menschen helfen.
Während die Mehrheit der Welt unter von den Machthabern zur Krisenbewältigung auferlegtem Hunger und Ausgrenzung leidet, reagieren Kuba und unser geliebter ‚Nationaler Verband der Kleinbauern (ANAP)‘ mit mehr Souveränität, Solidarität und Sozialgerechtigkeit. Das neoliberale Modell löst die Krise der Menschheit nicht. Das kubanische Modell verteidigt das Leben, die Würde und die Einheit der Völker.
Als internationale Bauernbewegung stehen wir angesichts der Angriffe gegen das kubanische Volk in Solidarität an dessen seite und rufen alle verbündeten Organisationen, die für Ernährungssouveränität, agrarökologische Bauernlandwirtschaft und integrale Gesundheit der Völker kämpfen, auf: Schließt Euch laut und klar den Stimmen an, die Kuba für seine Bemühungen um Solidarität und Zusammenarbeit mit der Menschheit anerkennen!
KUBA IST KEIN TERRORISTISCHER STAAT! Den Kampf globalisieren! Hoffnung globalisieren!

ZWISCHENBILANZ: 35 MILLIONEN BESTÄTIGTE FÄLLE – über eine Million Tote! Alles in nur acht Monaten. COVID 19 ist jetzt eine existenzielle Krise für die Menschheit.
Bericht um Bericht wurde die Welt über die verheerenden Auswirkungen dieser Pandemie auf das Leben der Menschen informiert. Kein Land, keine Gemeinde ist dagegen immun. Wir müssen uns aber unbedingt daran erinnern, dass bereits vorher arm und marginalisiert gewesene Menschen wie keine anderen vor dem Dilemma stehen, entweder an COVID oder an Hunger zu sterben.
Laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen (SOFI 2020) dürfte die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 zwischen 83 und 132 Millionen Menschen zur Gesamtzahl der Unterernährten in der Welt hinzufügen. Grausame Ironie dabei ist, dass diese zunehmend hungrige Welt auch 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel pro Jahr verliert oder verschwendet! Nach FAO-Schätzungen würden diese verschwendeten Lebensmittel zur Ernährung von 2 Milliarden Menschen ausreichen. Die transnationalen Agrarunternehmen, die einen Großteil der weltweiten Nahrungsmittelversorgung kontrollieren, sind dazu jedoch nicht in der Lage, obwohl Hunger gelebte Realität von fast einer Milliarde Menschen ist!
Die Pandemie wird die internationalen Bemühungen zur Bekämpfung der globalen Armut untergraben. Allein in Asien könnten rund 160 Millionen Menschen unter die Armutsgrenze gezwungen werden. In Lateinamerika sind es rund 45 Millionen Menschen. Das Kinderhilfswerk der Vereinigten Staaten (UNICEF) berichtete, dass 872 Millionen Studierende in 51 Ländern keinen Zugang zu Bildung haben. Über 50% von ihnen leben unter Umständen, in denen Fernunterricht unmöglich ist – ein Ausmaß, das laut Nachrichtenberichten eine vollständige Generationskrise im Bildungsbereich anzeigt.
In all diesem Untergang ist es für manche so, als ob die Pandemie nicht existiert. Die Schweizer Bank UBS berichtete, dass Milliardäre auf dem Höhepunkt der Krise von April bis Juli ihr Vermögen um mehr als ein Viertel steigerten. Dabei überrascht nicht, dass diejenigen im Gesundheitswesen ihr Gesamtvermögen sogar um über 50% erhöhten.
Was halten wir von einer solchen Welt? Wo ist Gerechtigkeit in alledem? In diesem Zusammenhang markiert La Via Campesina den „Internationalen Aktionstag für die Ernährungssouveränität der Menschen“.
La Via Campesina, die globale Bauernbewegung, die Millionen von Bauern, indigenen Völkern, Fischern, Migranten und anderen kleinen Lebensmittelproduzenten in 82 Ländern vertritt, hat die Regierungen der Welt aufgefordert, endlich die Grenzen und inhärenten Ungerechtigkeiten des industriellen Lebensmittelsystems zur Kenntnis zu nehmen. Die aggressive Ausweitung der industriellen Lebensmittelproduktion in den letzten 5 Jahrzehnten hat auch die menschliche Gesundheit zunehmend gefährdet. Abgesehen von der übermäßigen Verwendung von Chemikalien und der Überverarbeitung von Lebensmitteln, die sie weniger nahrhaft und umso schädlicher machen, hat dies auch zu einer signifikanten Zunahme von Zoonosekrankheiten geführt – solchen, die durch Krankheitserreger verursacht werden, die (wie COVID-19 ebenfalls) vom Tier zum Menschen springen. Beim ersten Anzeichen der globalen Pandemie allerdings brach dieser industrielle Lebensmittelkomplex zusammen und ließ Länder und Bürger im Chaos zurück.
Jahrzehntelang haben die Regierungen wenig unternommen, um kleine Farmen und Lebensmittelproduzierende zu schützen, die von diesen wachsenden dysfunktionalen Unternehmensriesen aus dem Geschäft gedrängt werden. Sie standen untätig da, als ihre Länder zunehmend abhängig wurden von einigen großen Lebensmittellieferanten, die die lokalen Produzenten zum Verkauf ihrer Produkte für unfaire Niedrigpreise zwangen, während die Unternehmensleiter ihre Gewinnmargen weiter steigern können.
Selbst jetzt, inmitten der Pandemie, sehen wir das anhaltende Streben der Agribusiness-Lobby, sämtliche demokratischen Lenkungsräume zu besetzen. So spiegelt die Partnerschaft zwischen Weltwirtschaftsforum (WEF) und UN-Generalsekretär in der Organisation eines „Gipfeltreffens für Lebensmittelsysteme“ im Jahr 2021 offen die Übernahme der Vereinten Nationen durch Unternehmen auf höchster Ebene wider.
Wenn überhaupt etwas, dann hat uns diese Pandemie genügend Gründe gegeben, uns einer solchen Unternehmenseroberung zu widersetzen und stattdessen unsere Forderungen nach einem verbindlichen Vertrag, der Unternehmen für Menschenrechts- und Bauernrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen kann, beschleunigt durchzusetzen.
Ernährungssouveränität durch bäuerliche Agrarökologie
Die gewählten Volksvertreter müssen die öffentliche Politik in ihren Staaten so gestalten, dass lokale Produktion und Verteilung eines vielfältigen Lebensmittelkorbs gefördert wird.
Es ist wichtig, dass jede Regierung überall der Autonomie ihrer Bürger*innen bei der Gestaltung des Nahrungsmittelsysteme den Vorrang gibt.
Wenn kleine Lebensmittelproduzierende die Macht erhalten, selbst zu entwerfen und zu entscheiden, werden wir ein Lebensmittelsystem haben, das nicht nur kulturell und klimatisch angemessen und vielfältig ist. sondern auch mit bäuerlichen agrarökologische Methoden auf Basis jahrhundertelanger Beweise und Erfahrungen produziert. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) empfiehlt einen „agrarökologischen Übergang“, um der globalen Nahrungsmittelkrise und der Bodendegradation zu begegnen.
Ernährungssouveränität und eine dringende Agrarreform
Die Ernährungssouveränität garantiert jederzeit die grundlegendsten Bedürfnisse der menschlichen Gesellschaft – Lebensmittel.
Pandemien oder andere störende Schocks, die die Welt erleben kann, werden überstanden und überlebt, wenn allen Menschen das Essen garantiert ist. Auf diesem grundlegendsten Verständnis unserer Grundrechte und -bedürfnisse müssen unsere Nahrungsmittelsysteme aufbauen. Gesundes Essen ist das Recht eines jeden Menschen auf diesem Planeten.
Gesunde Lebensmittel können nicht durch geschmacklose, nährstoffarme, homogenisierte, in weit entfernten Fabriken hergestellte Tiefkühlfleisch- und Milchpackungen ersetzt werden. Um die Ernährungssouveränität zu gewährleisten, müssen alle Länder eine Agrarreform in Angriff nehmen, die Ackerland, Flüsse, Ozeane und Wälder vor Immobilien- und Extraktionsindustrien schützt. Wie sollen Menschen Lebensmittel produzieren, wenn ihnen das Land weggenommen wird? Wie kann sich ein Land frei nennen, wenn es seine Leute nicht mit gesunden, nahrhaften Lebensmitteln zu ernähren vermag?
Dagegen sehen wir aber selbst mitten in der Pandemie Staaten und Lobbys der Agrarindustrie, die Menschen gewaltsam aus ihrem Hoheitsgebiet vertreiben, Bauernführer kriminalisieren und Landraub ermöglichen.
Ernährungssouveränität kann die Rezession überwinden, die ländliche
Wirtschaft und den Lebensunterhalt wiederbeleben

Die Pandemie hat auch den Alltagshorror von Wanderarbeitenden aufgedeckt, die unter unsicheren Bedingungen in einem Ausand leben, das fremdenfeindlich und patriarchalisch ist. Es bedurfte einer globalen Pandemie, um das Leben von Milliarden von Land- und Stadtarbeitenden für die mächtigen Eliten der Welt sichtbar zu machen, die in den sozialen Medien schnell Mitleid bekundeten, aber zugleich aufriefen, die Arbeitsgesetze „unternehmensfreundlicher“ zu gestalten. Die kriminelle Heuchelei der Eliten dieser Welt muss aufhören. Die Arbeitenden müssen das Recht haben, in oder nahe ihrer Heimat Arbeit zu finden. Die Ernährungssouveränität kann so ein System garantieren, bei dem lokale menschliche und investive Ressourcen für Herstellung, Verteilung und Verbrauch von Lebensmitteln genutzt werden. Warum solltn Arbeitende in ferne Städte ziehen und ein unwürdiges erbärmliches Leben führen, wenn sie in oder nahe ihres Dorfes Arbeit und Nahrung finden?
Die hyperindustrialisierte Gesellschaft, die Städte zu Wirtschaftsmotoren machte, hat den Arbeitenden lange Zeit das Recht verweigert, näher zu Hause zu arbeiten und ausreichend zu essen. Wenn überhaupt etwas, dann hat die Pandemie die Zerbrechlichkeit dieses Modells aufgedeckt, das die Arbeiter beim ersten Krisenzeichen verlassen und sie gezwungen hat, Hunderte bis Tausende von Kilometern nach Hause zu laufen. Das industrielle Nahrungssystem hat viele seiner Arbeitenden einer Infektion ausgesetzt, so bei den großen Schlachthöfen in den USA, Deutschland und anderen Ländern. Wanderarbeitende schuften weiterhin ohne angemessenen Schutz in den großen Farmen der EU und USA – und viele sind infiziert. Warum sollten die Arbeitenden diesem System noch vertrauen?
Ernährungssouveränität ist die Flamme, die die Welt aus dieser Dunkelheit herausführt
In diesem langen dunklen Tunnel, in dem sich die Welt befindet, sucht sie erzweifelt nach Licht. Eine Mehrheit der Weltbevölkerung, die in Verzweiflung und Chaos lebt, sucht nach einem hoffnungsvollen Zeichen, das ihnen und ihren zukünftigen Generationen Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde garantieren kann.

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