Puzzolanerde im Zement macht Opus Caementitium
10.10.2023 admin Newsletter & Technix
…und „das tägliche Wunder, das sich ereignete, wenn man 2 Teile gelöschten Kalk mit 5 Teilen Puteolanum -dem roten Sand dieser Gegend- vermischte und so eine Substanz erhielt, die unter Wasser zu etwas abband, das härter war als Fels.“ Aus aktuellem Anlass (siehe z.B. „Supervulkan“ oder die Pompeji-Rezension, dem das Harris-Zitat entstammt) wird hier unter neuer Überschrift ein Artikel aus dem Newsletter 44 (Aug.2021) wiederveröffentlicht, der im Original FLIEGENDE FLÜSSE: Amazonien versiegt, Zementindustrie siegt betitelt war (ansonsten unverändert): >>Das Unsympathische am Betongold und seinen sowieso gestopften Gräbern ist nicht bloß, dass es seinen Profit regelmäßig aus windigen Immobiliengeschäften mit dreckigen Mitteln auf dem Rücken der mietenden Massen zieht, ohne irgendwelche Rücksichten auf etwas anderes als die maximale Rendite aufs eingesetzte Kapital. Es sind nicht nur die mit der systematischen Missachtung und Beschädigung von Mieter-, Denkmal- und Naturschutzrechten verbundenen Verelendungs-, Verarmungs- und Vernichtungsfolgen. Auch dass der boomende Immobilien-Run realwirtschaftlich auf Zement beruht, macht diese Art der Goldbeschaffung so anrüchig wie Fracking und Doping zusammen.
Beton ist freilich nicht gleich Zement, sondern zunächst die Mischung einer Gesteinskörnung wie Sand oder Kies mit Wasser und Bindemittel (eben einem Zement), wie sie im Prinzip schon in der griechisch-römischen Antike beim Bau verwendet wurde und in Form bis heute uneingestürzter Aquädukte oder Amphitheater bis hin zu Monumenten wie Kolosseum und Pantheon einen nachhaltigen Beweis extremer Langlebigkeit erbracht hat, den moderne Stahlbetonbauten wie Autobahnbrücken, Hochhäuser oder U-Bahn-Tunnel noch schuldig blieben (und bleiben werden, angeben tun sie selbst ohnehin bloß 50-120 Jahre). Der altertümliche Zement bestand schon vor 14000 Jahren hauptsächlich aus Kalk und Ton, als er im Osten der heutigen Türkei aus einer Mischung aus Kalk, Ziegelmehl oder Puzzolanerde gebrannt und zum Vermörteln von Ziegelsteinen benutzt wurde. Vor 3000 Jahren kamen die Phönizier auf die Beimischung vulkanischen Gesteins und erzielten damit ein wasserunlöslich aushärtendes Bindemittel, das wie das Alphabet und die kaufmännische Buchführung über Hellas seinen Weg nach Rom machte. Dort wurde durch die perfektionierte Schalbautechnik der Römische Beton zum Markenzeichen des imperialen Bauwesens, der im 1.Jhdt.n.u.Z. seinen Durchbruch fand: „Opus Caementitium“, geschaltes Bauwerk aus Bruch- und Feldsteinen mit hydraulischem Zementmörtel gegossen bzw. gestampft. Mit dem Untergang des Römischen Reiches versank auch diese -noch durchaus klimafreundlich eingesetzte- Bautechnik in der klerikalfeudalen Vergessenheit eines christlich-abendländischen Mittelalters, dessen Finsternis aus solchen menschheitskulturellen Rückschritten greller erhellt als aus sämtlichen beschaulichen Erwägungen zu „seiner“ Philosophie und Theologie, Scholastik und Kirchengeschichte.
Geschichte wiederholt sich nicht, es sei denn -das wusste schon D’lands größter und unerhörtester Denker- als Farce; und was die bezahlten und unbezahlten PR-Agenturen der modernen Zementindustrie so gerne als epochale ‚Wiederentdeckung eines Klassikers‘ im südenglischen Portland des 19.Jahrhunderts abfeiern, ist keine technologische Fortschrittsgeschichte zum Wohle der Menschheit, sondern ein Paradebeispiel für die Freisetzung gerade der zerstörerischen Potenziale bei allem, was der von Hybris und Profitgier getriebene kapitalistische Zugriff in die Finger kriegt. Dass Beton heute zu den 4 größten Klimakillern (verantwortlich für fast 3mal soviel CO2-Ausstoß wie der Flugverkehr) gehört, verdankt er zu 98% seinem Bestandteil Zement, welcher 1824 zunächst durch Brennen einer bestimmten Kalk-Ton-Mischung neu erfunden und 1844 durch deren Erhitzen über den Schmelzpunkt zum Sintern als Portland-Zement seinen Siegeszug antrat. Er ist qualitativ keine Spur besser und hinsichtlich Festigkeit, Wasseraufnahmevermögen oder Langlebigkeit klar schlechter als der Antik-Zement, nur härtet er viel schneller aus, ist bei läppischen 1450°c Produktionshitze leicht und massenweise herzustellen, gut zu transportieren und dabei gerade billig genug für maximale Renditen im industriellen Einsatz. Seine planetenzerstörende Wirkung beruht auch nicht in erster Linie auf der energie-intensiven Herstellung (macht 40% aus), sondern zu 50% auf einem dem gepriesenen abendländischen Erfindergeist noch entgangenem Problem in der Grundkonstruktion. Das im Kalkstein gebundene CO2 wird produktionsnotwendig freigesetzt durch die Kalzinierung beim Brennen des Kalk-Ton-Gemischs, die die Römer bereits bei 900°c im sog. Schwachbrand erreichten, i.Ggs zu den 1450°c beim modernen Sinterbrand. Neue Mischungen mit höherem und reaktiverem Tonanteil funktionieren heute schon bei 800°c (oder u.U. auch weniger) und emittieren nebst Heizenergieersparnis nur noch 1 Drittel der CO2-Mengen herkömmlicher Portlandproduktion. Auf dem Markt setzen sie sich allerdings von alleine nicht durch, wie so vieles was besser und teurer ist, länger hält und weniger schadet. Noch so ein Konstruktionsfehler im System, das bei Strafe des eigenen Untergangs zuallererst auf wachsenden Verbrauch, schnellen Verschleiß und ständig neue Marktöffnungen orientieren muss.
Gegenwärtiglich bleibt also, bis zur garantiert nur zwangsweise höchstmöglichen Ökologisierung der Zementherstellung, der beste Sack Zement jener, der eingespart wird. Eines der umwerfendsten altrömischen Bauwerke, der Aquädukt bei Nîmes, ist übrigens nur in seiner Wasserrinne mit Zementmörtel abgedichtet, die gewaltige sie tragende Bogenstruktur wurde als Trockenmauerwerk komplett ohne Bindemittel ausgeführt. Soo geht genial: das Teuerste (das heutzutage im Einsatz umweltbelastender Stoffe besteht) aufs nötige Maß reduzierend – und nicht einer unreformierbar absatzfixierten Zementindustrie ohne Sozialverpflichtung restriktionsfrei die Verschmutzungsrechtszertifikate noch für lau hinterherschmeißend, während Privatleuten bei Dämmung, Heizung oder Transportmitteln ständig steigende Verschärfungen aufgelastet werden. Der aktuelle Weltklimabericht des IPCC lässt, auf Basis der Sichtung 14000 neuster Wissenschaftsaufsätze, keinen Zweifel an der Drastik der Gefährdungslage – müßig allerdings, darauf zu hoffen, dass die Herrschenden wissenschaftlich begründete Erfordernisse jemals auch nur ansatzweise umsetzend aufgriffen, wenn dabei ihre Profite und Privilegien angetastet würden. Allen kompetent Beteiligten ist längst klar: „Das Verbrennen von Kohle, Erdölprodukten und Erdgas muss eingestellt, die Entwaldung gestoppt sowie auch die Zementproduktion reduziert und umgestellt werden.“[3] Lockdown sofort, Wiederzulassung nur bei radikal verbesserten Emissionswerten, die Kosten tragen die verursachenden Unternehmen. Ja, was? Amazonien haben wir schon verloren, die Grüne Lunge der Welt ist gerade kollabiert und hängt noch nichtmal am Beatmungsgerät! Der größte Regenwald und für ewig unkaputtbar genommene CO2-Speicher der Erde ist im Raubbau der letzten 50 Jahre vom globalen CO2-Absorber zum Netto-Emittenten geworden, während er für alle wissbar fußballfelderweise vernichtet wurde: 526 Fußballplätze stündlich im Schnitt der vergangenen 40 Jahre. Seit 2010 schon, so eine jüngst vorgelegte INPE-Langzeitstudie[4], produziert er im Jahresmittel über 1 Mio Tonnen CO2 mehr p.a., als er in seiner abnehmenden Biomasse aufnimmt. Neoliberal-faschistische Regimes neuen Typs (wie etwa unter Trump oder Bolsonaro) haben das Zerstörungstempo zuletzt nochmal erheblich beschleunigt und auch über jeweilige Präsidentenzeiten hinweg weiter wirksame Weichen für katastrophale Zukünfte gestellt, nicht zuletzt durch die Entwissenschaftlichung politischer Entscheidungsfindung mittels Erhebung systematischer Desinformation, „alternativer Fakten“ und selbstgestrickten Twitterwwwissens in den Rang relevanter Regierungsleitlinien.
Und was macht das bildungsbürgerliche Feuilleton in D’land? Da wurde 2019 der Humboldt’s Alexander zu seinem 150.Todestag mords abgefeiert, weil er vor 200 Jahren den Zusammenhang von Regenwald, Luftfeuchte und Klima schon erahnt hatte (Hurra, jetzt auch Klimaforschungsweltmeister!), aber statt der amazonischen Evapotranspiration -wie dieser Kontext der „Fliegenden Flüsse“ heute genannt wird, in dem durch über 400 Mrd Bäume täglich mehr als 20 Mrd t Wasser aus dem Boden klimakühlend in höhere Luftschichten abgegeben würden, also 3 Mrd t mehr als der Strom selbst täglich in den Atlantik gießt- werden im Land der Dichter und Denker von deren Steuergeldern Banken und Luftfahrtunternehmen gerettet, intakte Wälder dem Autobahnbau geopfert und die dagegen Protestierenden drangsaliert, misshandelt und strafverfolgt.<<
[Die Fußnoten] wurden weggelassen. Wer diese oder generell den quartalsweise gratis erscheinenden Newsletter Wer regelmäßig zugemailt haben will, geht hier auf unsere Homepage und klickt dort links in der Navigation KONTAKT (Betreff: „Her mit dem Newsletter!“).
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[…] war es zu solchen episodischen Bradyseismen gekommen, das Hafenstädtchen Pozzuoli (Namensgeber der Pozzulanerde, Schlüsselelement im „Opus Caementitium“) hat es in den letzten 70 Jahren dabei um netto 4 Meter angehoben. Die vom Supervulkan aus den […]