E-BIKE: Lieber alla „bicicletta partigiana“ als mit Trethilfe

5.5.2024 Giorgio LIGURIEN bereisenNewsletter & TechnixOUTDOOR-Trekkings

„Alle Partisanengeschichte ist ländlich, die Geschichte politisierter Landeier, die von sympathisierenden Landeiern mindestens respektiert und oft unterstützt wurden.“ So hieß es zum Ende des vorigen -aus dem Newsletter 31 von Mai 2018 rezyklierten- Artikels. Und der nächste schloss an: „Alle Partisanengeschichte ist aber auch weiblich“ – und gleichfalls kann dieser zum Thema radelnde Partisanin versus E-Bike-Poser 6 Jahre später immer noch genau so publiziert werden. Gegen das e-Bike ein Hohelied auf das echte, das eigenkräftig betriebene, das selbstmächtige Radfahren:
>> LA BICICLETTA PARTIGIANA statt Trethilfe zum Radlerglück
_________Alle Partisanengeschichte ist aber auch weiblich und eine der Effizienz basalsten Equipments im großen Clash mit hochgerüsteten Maschinerien, deshalb heißt sie ja auch ‚kleiner Krieg‘, Guerilla eben. Da wird mit Jagdgewehren geschossen statt mit MGs, draußen im wilden Dickicht gegessen und geschlafen statt in warmen Kantinen oder Kasernen und statt in Jeeps, Fliegern oder gepanzert läuft die Fortbewegung bis zum Umfallen auf Schusters Rappen oder auch dem Fahrrad. Simona Colonna hat mit „La bicicletta partigiana“[1] ein bewegend schönes Lied zu Ehren all der tapferen Kundschafterinnen herausgebracht, das auf EurovisionSongContests keine Rolle spielt, aber wie Casciones „Fischia il vento“ die Herzen der für die bessere Sache Kämpfenden weitet und mit einer unkaputtbar zähen Zuversicht erfüllt. Es ist stellvertretend Margherita „Meghi“ Mo, der „staffetta delle Langhe libere“ mit ihrem Drahtesel gewidmet, die uns direkt zum zweiten Jahresschwerpunkt radelt: dem Radfahren, das ja schon im vorigen Newsletter einen fetten Artikel bekam. „Lei pedala lei pedala“ lautet das Mantra des Colonna-Songs, geradelt wird durch unentwegtes Treten der Pedale und nicht durch Einschalten einer elektrischen Trittunterstützung; dort beginnt das Motorradfahren, das tendenziell doch lieber auf den Straßen bleibt. Und was die modeschicke Gattung ‚Mountainbikes mit Hilfsmotor‘ betrifft: Nur weil die weniger Lärm, Gestank und Staub aufwirbeln, wenn sie durch Berge und Wälder brettern, verdienen sie noch keine bessere Haltungsnote als die Motocrossisti. Auf die Haltung kommt’s halt an beim Wandern, auch dem fahrradgestützten, das richtig stets einer „Kultur des Gehens und Sehens im Alltag“ verpflichtet ist.
_________Im Alpenvereinsheft „Panorama“(2/18), das hier schon öfter mit griffigen Sätzen guter Autoren (wie A.Dick, M.Roeper, G.Fitzthum oder dem eben angeführten A.Klemmer) zur grassierenden schnellschnäppischen Eventblödigkeit im alpinen Naturtourismus zitiert wurde, hat es jetzt ein T.Brönner fertiggebracht, seine 8-Tage-Tour „Piemont und Ligurien auf Militärwegen“ 6 Seiten lang als „bewegende Fahrt mit dem E-Mountainbike vom Valle Varaita bis ans Mittelmeer“ zu verbraten, ohne einmal auf diesen 320 partisanengeschichtsträchtigen Pistenkilometern (die vorwiegend freilich in nazifaschistischer Hand waren) solche Kontexte auch nur andeutungsweise aufzunehmen. Überhaupt sind über „Mit Trethilfe zum Radlerglück“ hinausreichende Informationen und Hintergründe so dürftig wie der Titel selbst. Das gilt ebenso hinsichtlich der passierten Natur und Landschaft: „Hier eine Gruppe Murmeltiere, dort zwei Steinböcke – es gibt immer was zu sehen“ – „Ein Gipfel wie Tolkiens Schicksalsberg“ – „Ein Foto hier, ein Foto da: Wir erreichen erst gegen halb sieben die Ligurische Grenzkammstraße“ – mehr haben die mit den Stützrädern nicht drauf.
_________Der Brönner-Report im Schnelldurchlauf, 8 Tage in 8 Gedankenstrichen: „Die Wahl der richtigen Ausrüstung glich jener Szene in den James-Bond-Filmen, in denen der Agent von Q seine neuen Spielzeuge bekommt. – Wie schön, dass wir gleich die Akkus laden können. Nachdem wir anfangs noch im Halbstundentakt die Anzeige der Akkus beäugt haben, fahren wir nun einfach drauflos. – Das Profil der breiten Reifen rüttelt über die Piste. Ununterbrochen bumpern die Taschen an die Gepackträger. Wir umkurven Pfützen, so groß wie ein Kleinwagen. – Wir jagen die verbliebene Energie aus den Akkus. – Was für eine Etappe! Akkus laden, waschen, essen. – Dann haben wir es geschafft. Moni und Vroni klatschen ab. – Wir bekommen ein eigenes Zimmer. Aber was ist das? Keine Steckdosen. Wir platzieren unsere Mehrfachstecker im Gang…als wir satt zurückkommen, sind wir perplex: Andere Gäste haben ihre Handys bei uns eingesteckt. – Wie im Formationsflug jagen wir zu Tal. Ich die Beute, er hinterher. Meine Finger lauern über den Bremsgriffen…Nach einer der Spitzkehren stoppen wir die Bikes und warten auf unsere Frauen. – Acht Tage biken in den Westalpen: die Haut gebräunt, die Waden verkratzt, der Kopf voller Bilder. Mir fallen die Pisten und verblockten Wege ein, dazu das Panorama und die Stille.“
_________Viel ist das nicht. Bombastisch flach geradezu, das Radlerglück mit Trethilfe, hohl und oberflächlich – auch dort, wo scheinbar kritische Fragen aufgeworfen werden: „Wie sieht es aus, wenn alle auf einmal ihre Akkus laden? Bricht dann auf der Hütte das Stromnetz zusammen? Werden Wirte“, so die brennendste Sorge, „E-Biker abweisen?“ oder fordern sie, wie die Herbergsmutter „auf dem Rifugio Monte Grai“ angesichts des Kabelsalats „eine Stromgebühr [Frechheit], die sie am Ende aber dann doch nicht berechnet“[das Schaf]. Es sind falsche Fragen, so wie das genannte Rifugio gar kein ‚richtiges‘ ist: es war stattdessen die Allavena-Hütte, nur dort gibt ’s Bewirtschaftung und Herbergsmutter. Zu erwägen wären Fragen gewesen wie: Wenn mit Sachverstand und viel Glück ein Sonnensegel incl. Wandler, Ladeanschluss und Batterie für 4-500 € organisierbar ist – welche Stromradgruppe bezahlt das dann? Transportiert alles vor Ort und installiert die Akku-Tanke dort? Sind leisetretende Stromfresser besser als spritröhrende Motocrossisti? Fließt Strom aus der Steckdose wie Wasser aus dem Springquell oder wie Benzin aus dem Zapfhahn?
_________So aber klingen gebräunte Häute, verkratzte Waden, verblockte Köpfe, Pisten voller Bilder, Wege, Panorama, Stille stark nach fern-, strom- und technikgesteuerten Event-Konsumzombies, die sich einen gedankenlosen Luxusritt durch ihren künstlich naturnahen Selbsterlebnispark aus James-Bond-Spielzeugen und Fantasy-Schicksalsbergen leisten. Dass die dabei durchradelten diversen Echtlebenswelten nicht über eine Wahrnehmung als Kulissen und Sportparcours zum Bespiegeln der eigenen Trethilfenherrlichkeit hinauskommen, ist bei einem solchermaßen reduzierten Ansatz ganz logisch und den Stromer/innen weder Mangel noch Problem. Zwischen den Hütten Foto-Objekte und Leistungsmessungen, Herbergen als Akkuladestationen und Verpflegungsdienste – mit der Bergwelt der Alpen allgemein oder wenigstens speziell den Westalpen hat das nicht wirklich zu tun. Ebensowenig mit nachhaltigem, respektgetragenem, interessiertem, sanftem, entschleunigtem oder sonstwie alternativem Tourismus. Axel Klemmers Diktum „Premiumwanderwege sind nicht die Lösung, sondern ein Teil des Problems“[2], gilt abgewandelt auch für solche Mofa-Trails. Was ein Dösgebaddel, was ein Scharpingplansch! Damit ist erkennbar nichts gegen wahre Held/innen des Stromradelns gesagt, die im Liegerad über die Alpen strampeln und ihre eigene, meist noch selbst installierte Solarstromversorgung im Anhängerchen mit sich führen; nichtmal gegen bewusstere und selbstkritischer Mitdenkende, die ihre Akkus tatsächlich nur mit Eigenkraft laden* statt die knappen Energien der hier noch Lebenden, Wirkenden und so den Niedergang des bergbäuerlichen Alpenraums durch Verödung, Verbuschung und Verwaldung einerseits sowie Verbauung, Verwüstung und Verspektakelung andrerseits alltäglich mühsam Aufhaltenden abzuzapfen mit einer Selbstverständlichkeit, die Land und Leute für gefällige Service-Einrichtungen hält. Auf die Haltung kommt’s halt an.
________________________________________________________________________Anmerkungen:
[1] Ihre CD mit 3 Liedern gehört zum Buch: G.Zanirato & D.Bosca, „Meghi, La staffetta delle Langhe libere“, Boves 2016 (araba fenice);
[2] In: DAV Panorama 5/2016, S.28; Im Alpenvereins-Jahrbuch BERG2017 hat Axel Klemmer jetzt auch eine Langversion seines Essays zur „Kultur des Gehens und Sehens im Alltag“ veröffentlicht.<<

Mit dem 3.Artikel „LA BARCA DEL MIO AMORE: Halt‘ Dich an Deiner Liebe fest!“ HIER wäre Liguri-Newsletter#31 vom Mai 2018 sogar komplett archiviert. Dort finden sich auch Links zur kostenfreien Bestellung unserer Quartals-ePub;
* übrigens sind entsprechend selbstkritische Gäste auch samt E-Bike willkommen, wenn sie eine kompatible Haltung zeigen und Respekt erweisen. Dann dürfen ihr e-Bike auch unten im Dorf bei einem lieben Nachbarn Ladestrom zapfen. Ganz hoch zu uns schafft’s eh kein e-Bike. Und selbst ein Mountainbike bloß in getragener Weise.


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