Lavendel, Ligurien: Erntedankfeste schon ab Ende Juli!

30.7.2023 Giorgio LIGURIEN bereisen

Wenn einer eine Reise tut, ist er mit Festen zu besuchen gut beraten. Dann kann er nämlich viel erzählen – und das vom Besten: statt Gelaber Fakten, Daten. Der August ist in dieser Hinsicht der Riesenhonigtopf, in den versehentlich der glückliche Reisebär plumpst, und geht hier im äußersten Westen Liguriens schon Ende Juli los. In dieser Hochzeit des Lavendels, wo auf die prächtige Blüte seine Ernte zur Destillation des kostbaren ätherischen Öls folgt, sind dem traditionellen und small-scale reanimierten Lavendelbau im Entroterra unseres westligurischen Voralpen-Hinterlands doch einige Feste gewidmet. So haben etwa die längst verwachsenen, bis zum Baudo-Rücken sich hochziehenden Lavendelterrassen Carpasios dort immerhin in Form eines lokalen Kleinmuseums ihre Würdigung erhalten. Weiter unten in Aggagio oder oben in Drego wird der feine Lavendel wieder kultiviert und destilliert, auch Pietrabruna und Baiardo reüssieren mit der gelingenden Wiederbelebung (im gebührenden Kleinmaßstab) – und feiern das jedes Jahr feste. Zum 16.Mal bereits findet im hochgelegenen ehemaligen Grafensitz mit spektakulärem Blick auf die noch höheren Quasi-2000er Torraggio, Pietravecchia und Graj (der hat dann tatsächlich über 2000m) das FESTA DELLA LAVANDA & DELLE ESSENZE DI MONTAGNA statt. Wie jeden monatszweiten Sonntag wird auch der lokale August-Event vom Selbstmachenden-Kleinmarkt „Mercatino per le vie del paese“ begleitet, auf dem zahlreiche Handwerkende der Region ihre Erzeugnisse aus Eigenbau präsentieren – zu diesem Anlass natürlich ganz zentral ins Lila des Lavendels getaucht.
Lavendel Fein, zum Trocknen gehängt: Ende Juli bis Mitte August ist Hochzeit für Lavendelfeste, für bestes atherisches Öl muss die Ernte vor der Destillation trocknen
______In Baiardo sind die Reaktivierung aufgegebener traditioneller Agrarproduktionen wie eben Lavendel oder auch Äpfel, Honig, Kräuter, die Stärkung lokaler (Lebensmittel-)Handwerke durch reanimierte alte Feste mit ‚Mercatino artigianale‘ für Kleinerzeuger/innen sowie die Wiederentdeckung der vergessenen ‚Cucina Bajocca‘ mittlerweile ziemlich einhellig Essentials der Gemeindepolitik geworden, spätestens seit mit dem körperschaftlichen Einschluss in den ‚Parco Naturale delle Alpi Liguri‘ (der bekanntlich nur unserer Vignaier Hangseite zum Monte Ceppo zu verdanken ist) die Umorientierung auf einen eher alternativen Tourismus offiziell markiert war. Wie jeder andere hat auch der Lavendelbau freilich so seine ganz spezifischen Eigenheiten; Aber anders als etwa im Peperoni-, Samen- oder Dachsbau, deren jeder allein schon derart viele Eigenheiten birgt, dass sie im Duobetrieb fast nur exklusiv durchgeführt werden können, ist Lavendel recht pflegeleicht und unkompliziert in der Kultivation. Allerdings lässt sich im kleinen Rahmen unserer Destillation des eigenen Anbaus die Ernte nicht einfach mit Stiel und Stengel in riesige Bottiche gabeln; sondern wir müssen die Blüten erstmal vom Rest abzupfen, um sie für die Destillation handlich zu separieren.
______Und noch eine Besonderheit weist der Lavendelbau auf: nämlich einen Haufen verschiedener Lavendelsorten, deren 2 bedeutsamste der hiesige klassische ‚Lavanda Fine‘ sowie der in Südfrankreich übliche ‚Lavandino‘ sind. Das ätherische Öl des Ersteren wirkt bekanntermaßen beruhigend, entspannend und -gerne als Raumduft- schlaffördernd, daneben entzündungshemmend im HNO- und antifungizid im Intimbereich, hilft gegen Insektenstiche und wird auch für Naturseifen oder Mottenblocker verwendet. Letzterer ist wie alle anderen Arten ein waschechter Lavendel – und doch unterscheidet sich der ‚Lavandin‘ deutlich vom ‚Lavendel fein‘. Er riecht heller, blumiger und weniger nach der sprichwörtlichen „alten Oma“ und beruhigt auf erfrischende, sogar herzstärkende Weise. Als Raumduft wirkt er antiviral und überhaupt stark desinfizierend, schmerzlindernd und wundreinigend (speziell bei verschmutzten Wunden) sowie gegen Rheumatismen und Nervosität. Dass so zwo vielfach unterschiedliche Gesellen, die wir sämtlich mit Vergnügen auf unserer Campagna anbauen, doch beide echte Lavendels sind, ist eins der kleinen Wunder unsrer kleinen Welt, die uns immer wieder staunend noch am Leben hält. Und das ist noch nicht Alles! Der ‚Lavandino‘ hat einen weiteren großen Vor- und Nachteil: Er ist vom Ölergebnis her ergiebiger, lässt sich im Land des ‚Lavanda Fine‘ aber auf keinem ‚Mercatino Artigianale‘ verkaufen. Selbst wenn wir ihn mit 9 statt 10 € pro 10ml parallel anbieten: der FINE ist ausverkauft, der DINO bleibt. Wir halten aber trotzdem zu ihm, produzieren ihn auch weiterhin und stellen beide gleichberechtigt auf den Gabentisch.
______Nun gibt es zu Festen noch vieles zu sagen – vom eingangs erwähnten Carpasio z.B., das den Reigen schon am zweiten Juli-Wochenende mit einer Pastasciutta Antifascista eröffnet (eine eigentlich erst für 25./26.Juli zur Feier der Absetzung Mussolinis italienweit fällige Tradition) über das Druidenfest am dritten Juli-Wochenende (ein leicht mystisches Über-Nacht-Event eines fröhlichen Keltengeschichtsvereins, das in Zeiten zurückführt, in denen der Berg, auf dem unsere 340-Seelen-Hauptstadt heute so spektakulär thront, von keltischen Druiden zu rituellen Zwecken genutzt wurde) bis hin zur legendären STRIGÒRA (dem Hexenfest in Triora); Und auch das Thema Lavendel ist lange noch nicht ausgeschöpft, gerade im Ferragosto nicht – sogar noch unterhalb der Premiumkräuter-Höhenlagen (die erst ab 700m Seehöhe beginnen) lavendelt es das ganze Oxentinetal abwärts, wo links auf den Felsen der S.Bernardo di Ciaubaudo der lustige Schopflavendel im Wildwuchs sein Haupt erhebt und auf der Taggieser Seite die alljährliche Pilgerei zur S.Maddalena stattfindet, wo ein ursprünglich heidnischer „Danza di Morte“ gefeiert wird, bei dem -nach allen vergeblichen Tänzen, Gesängen, Gebeten, Flüchen, Wehklagen und Bitten- mit Hilfe zahlreicher Lavendelsträußchen der Tod einer geliebten Bauernmaid revidiert wird. Das Lavendelsträußchen wird auch unser Erkennungszeichen sein – auf dem „Festa della Lavanda“ in Baiardo. Ci vediamo.

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